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TW 859 an seiner letzten Einsatzstelle - Foto: Mario Nowotny

Triebwagen 859 wurde zuletzt von Möhringen aus, auf der Linie 31, eingesetzt.

Der heutige Triebwagen 859 wurde im Jahre 1939 als einer der 14 von der Maschinenfabrik Esslingen (ME) gelieferten Gartenschau- wagen unter der Nr. 714 in Betrieb genommen. Im Gegensatz zum altbekannten Museumswagen 851, der in Uerdingen gebaut wurde, belegt dieses Fahrzeug, dass auch die ME den Anschluss an moderne Fabrikationsmethoden beim Bau von Straßenbahnwagen nicht ver- loren hatte. Ein weiteres Detail ist, dass die elektrische Ausrüstung von den Siemens-Schuckert-Werken stammt, wogegen Triebwagen 851 seinerzeit von der AEG ausgerüstet wurde. Komponenten der Fahrzeugelektrik sind aber trotz der verschiedenen Hersteller oft- mals untereinander austauschbar. Hier lassen sich somit die Verein- heitlichungsbestrebungen der 1930er Jahre an Originalfahrzeugen aus dieser Zeit nachvollziehen.

TW 859 abgestellt in Möhringen - Foto: Klaus Illmer

Das Bild aus den 1970er Jahren zeigt den Wagen mit modernisierter Stirnfront.

Ein wesentlicher Grund für die Rückholung und nun beginnende Restaurierung des Gartenschauwagens 859 war jedoch, dass sich der im Prinzip baugleiche Museumswagen 851 in seinem letzten Betriebszustand der späten 1960er Jahre befindet und sich sehr weitgehend modernisiert präsentiert. Wagen 859 ist dagegen bis auf den (im Verlauf der Restaurierung rückgängig zu machenden) Umbau der Plattformen im Erscheinungsbild deutlich ursprünglicher geblieb- en, was sich vor allem auch in der Ausstattung des Fahrgastraums zeigt. Selbst das originale Holzdach ist noch vorhanden. Das Ziel der Restaurierung ist die Rückversetzung des Wagens in den Zustand um 1939/1950, womit das Fahrzeug auch wieder seine ursprüngliche Wagennummer 714 zurückerhalten wird.

Der weitere Werdegang des Wagens in seinem ersten Stuttgarter "Leben" ist schnell erzählt: Als ab 1955 die Triebwagen des Typs T2 nach Stuttgart geliefert wurden, entschloss sich die SSB zu einer Neunummerierung ihres Fuhrparks, unser "714" musste daher seine ursprüngliche Wagennummer gegen die Nummer 659 eintauschen. Diese trug er allerdings nicht lange, denn bereits mit der Auslieferung der neuen Gelenktriebwagen vom Typ GT4 brauchte man ab 1959 erneut mehr Platz im System. So wurde aus "659" schließlich im Jahre 1963 die "859", und die Nummernreihe von 401 bis 750 war für die Neufahrzeuge frei.

Zurückgehende Fahrgastzahlen, Streckenstilllegungen und Rationalisierungsmaßnahmen führten dazu, dass im Jahre 1972 die letzten Gartenschauwagen aus dem Linienverkehr ausschieden. Wagen 859 war unter diesen Fahrzeugen und entging der anstehenden Verschrottung dadurch, dass ihn das "Deutsche Straßenbahnmuseum" in Wehmingen bei Hannover erwarb. Dort stand er allerdings neben unzähligen anderen Straßenbahnwagen verschiedenster Betriebe jahrzehntelang unter freiem Himmel. Im Rahmen einer Sammlungsbereinigung und -verkleinerung wurde er schließlich dem Verein Stuttgarter Historische Straßenbahnen e. V. (SHB) zum Kauf angeboten. Trotz seines denkbar schlechten Zustandes entschloss man sich zur Rückholung des Wagens, und so hatte der "859" im Dezember 2003 wieder Stuttgarter Schienen unter den Rädern. Zunächst vier Jahre lang im Straßenbahnmuseum Zuffenhausen und anschließend noch einige Monate in der neuen Straßenbahnwelt Stuttgart präsentierte er stellvertretend den schlechten Zustand, in dem sich die Museumsfahrzeuge bei der Aufnahme in die historische Sammlung leider in vielen Fällen befinden. Gleichzeitig konnte den Besuchern anschaulich vermittelt werden, wie schwierig es oftmals ist, aus einem solchen Wrack wieder ein wirkliches Schmuckstück werden zu lassen.

Trotzdem war schon bei der Rückholung des Wagens dessen spätere Restaurierung in den ungefähren Auslieferungszustand ein formuliertes Ziel. Aufgrund des Zustandes war es jedoch allen Beteiligten klar, dass die Aufarbeitung nur mit Hilfe umfangreicher Spenden und unter Hinzuziehung externer Partner zu stemmen sein wird. Der Allgemeinzustand ist als sehr schlecht zu bezeichnen. Das Holzdach des Wagens hat aufgrund der Witterungseinflüsse stark gelitten und sehr viel Nässe ist in das Wageninnere gelangt. Somit sind um die 80% der Holzteile aufgrund von Fäulnis und Verwitterung nicht mehr zu gebrauchen und müssen neu angefertigt werden. Auch der stählerne Wagenkasten wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Unzählige deutlich sichtbare Durchrostungen am Fahrzeug sprechen eine eindeutige Sprache.

Tw 859 in Zuffenhausen - Foto: Rüdiger Grabowski

Von 2003 bis 2007 stand Wagen 859 in der Ausstellung in Zuffenhausen.

Fenstersteg - Foto: Rüdiger Grabowski

Alle Fensterstege sind in einem schlechten Zustand.

Blick unter den Wagen - Foto: Rüdiger Grabowski

Die komplette Druckluftversorgung bedarf einer Erneuerung.

Im April 2010 begann die Abteilung Technik des Vereins SHB mit der Demontage des Wagens. Dabei bekommt jedes Einzelteil eine Nummer, wird fotografiert und in einer Datenbank erfasst. Dieser Vorgang ist inzwischen abgeschlossen. Im Februar 2011 wird der Wagen Stuttgart verlassen, um die Sanierung der tragenden Konstruktion des Kastens, des Daches und des Fußbodens durchzuführen. Für diese Arbeiten konnten wir die Werkstatt der Geraer Verkehrsbetriebe GmbH gewinnen, die bereits mehrere einschlägige Referenzen aufweisen kann. Nach aktuellen Planungen wird der Wagen je nach der Verfügbarkeit finanzieller Mittel etwa zwei Jahre lang in Gera verbleiben. In dieser Zeit wird die Museumswerkstatt in Stuttgart aber nicht den Betrieb einstellen. Deren Aufgaben werden dann z. B. bei der Aufarbeitung bzw. Neuanfertigung der Holzteile des Wagens liegen, wie Innenverkleidungen oder Sitzgestelle. Nach Rückkehr des Fahrzeuges nach Stuttgart kommen mit der Installation der elektrischen Anlagen und der Druckluftbremse zwei weitere umfangreiche Aufgabengebiete auf uns zu, bevor mit der weiteren Komplettierung des Fahrzeugs begonnen werden kann. Wenn das Projekt gut verläuft, werden wir es vielleicht bis zum Jahr 2015 schaffen, dem "alten" Gartenschauwagen 851 sein "neues" Schwesterfahrzeug 714 einsatzbereit zur Seite zu stellen. Dann wird es möglich sein, die Wandlungen eines Straßenbahnwagens im Laufe der Einsatzjahre 1:1 nachzuvollziehen.

Dieses ehrgeizige Ziel gibt es natürlich nicht für umsonst, es hat einen eindeutig zu beziffernden Preis. Würden Restaurierung und Wiederinbetriebnahme vollständig von einer externen Fachwerkstatt ausgeführt, erforderten die vielfach einem Neuaufbau gleichkommenden Arbeiten gemäß übereinstimmender Kalkulationen einen finanziellen Aufwand von insgesamt 350.000-400.000 Euro netto. Manche Leistung aus diesem Umfang können wir durch die ehrenamtliche Arbeit unserer aktiven Mitarbeiter selbst erbringen, trotzdem wird SHB geschätzt etwa 50% des Gesamtumfangs, also mindestens 175.000 Euro durch Spenden und Eigenmittel aufbringen müssen. Helfen Sie mit, dass wir dieses Ziel erreichen können! Wir danken für Ihre Spende.

Aktueller Zustand der Türen - Foto: Rüdiger Grabowski

Die Instandsetzung der Türen wird um die 18.000€ kosten.